Learning from the 70s

10 Thesen zum Seidenweberhaus

Städtebau

1. Dass der Theaterplatz nicht funktioniert ist ein städtebauliches Problem, das nicht durch den Abriss des Seidenweberhauses gelöst wird. Die städtebaulichen Mängel des Theaterplatzes sind auch bei gleichzeitigem Erhalt des Seidenweberhauses zu beheben.

2. Neben dem Seidenweberhaus war ein Bauvolumen entlang des Ostwalls bereits im Entwurfsmodell von 1974 vorgesehen. Die heutige Tiefgarage wurde genau darum in den 70er Jahren bis an den Ostwall gebaut. Die Bauflucht am Ostwall kann geschlossen und der Theaterplatz räumlich gefasst werden, ohne den Blick auf das Stadttheater zu versperren.

3. Die Erreichbarkeit des Platzes wird nicht durch das Seidenweberhaus blockiert, sondern durch die Unterbrechung der Straßen in nord-südlicher Richtung. Die Entschleunigung der Sankt-Anton-Straße kann nur dann wirksam sein, wenn die Loh- und Königstraße (und die Färberstraße) von Süden nach Norden durchgängig und für den langsamen Verkehr attraktiv gestaltet werden.

Nutzung

4. Die heutigen Nutzungen auf dem Platz (Veranstaltungshalle, Theater und Medio- thek) sind nicht hinreichend, um ihn lebendig zu machen. Ein Verwaltungsgebäude (als überwiegend private Nutzung) würde die aktuelle Lage nur noch verstärken und den Platz für die Öffentlichkeit noch unattraktiver und weniger zugänglich machen. Die öffentliche Nutzung des Theaters und der Mediothek würde noch eine zusätzli- che Barriere durch eine private Nutzung zur (öffentlichen) Innenstadt bedeuten. Also: Nutzung Theaterplatz weiterhin als kulturelles Zentrum der Stadt. Ein kleinmaßstäbli- cher Nutzungsmix mit Kultur, Hochschule, Wohnungen und Gastronomie würde Syn- ergieeffekte erzielen und eine dauerhafte Frequentierung des Platzes bewirken.

5. Durch die Abwanderung der Hochschule aus der Innenstadt sind die Studierenden nicht in der Innenstadt präsent und gestalten das Stadtbild nicht mit. Das Potenzial der Hochschule zur Schaffung von Anziehungspunkten und Innovationen im Innen- stadtraum wird nicht ausreichend ausgeschöpft.

6. Die Stadt Krefeld braucht kein neues Verwaltungsgebäude. Es gibt genügend leer- stehende Bürobauten innerhalb der Stadt. Das leerstehende denkmalgeschützte Stadthaus von Egon Eiermann muss nur restauriert werden. Aber auch mit einer Um- nutzung des ebenfalls leerstehenden und denkmalgeschützten Kaufhof oder des alten Horten Kaufhauses könnte die Stadt ein Zeichen setzen.

Photocollage grünes Seidenweberhaus, Theo Windges, 70er Jahre

Gebäude

7. Die Instandhaltung des Seidenweberhauses muss ein Pilotprojekt für eine neue In- standhaltungskultur in der Stadt werden. Eine Instandhaltung braucht nicht teurer zu sein als ein Neubau. Die Instandhaltung – selbst wenn nur der Rohbau wiederverwen- det würde – verursacht nur einen Bruchteil des CO2 Ausstoßes von Abriss und Neubau.

8. Ein neues Gebäude anstelle des Seidenweberhauses kann und wird unter den ak- tuellen Bedingungen nie die Qualität des Bestandsgebäudes erreichen. Glatte, weisse Kästen stören das Stadtbild mehr als das ruppige Seidenweberhaus.

9. Mit einem Umbau können architektonische Mängel des Seidenweberhauses beho- ben werden. Die Großstruktur kann weiter entwickelt werden, dass sie freundlicher wird, ohne ihren Charakter zu verlieren. Im Detail kann die Fassade mehr Maßstäblich- keit, Relief und Verfeinerung – aber auch mehr Grün und Besonnung erhalten. Der Künstler Theo Windges hat dies schon in den 70er Jahren visualisiert.

10. Selbst wenn das quadratische Stützenraster den ursprünglichen Entwurf des zusät- zlichen Baublocks am Ostwall nach heutigen Anforderungen nicht mehr tragen kann: ein Gebäude in Holzbauweise kann dies kompensieren.


Entwurfsmodell Neunutzung Seidenweberhaus, Jakoba Struck, 2021

Fazit

Die Stadt Krefeld beabsichtigt, einen Wettbewerb zum Theaterplatz auszuschreiben. Der Erhalt des Seidenweberhauses ist nicht Teil des Problems sondern Teil der Lösung.

Karl Amendt, Architekt
Maudine Kanders, Architektin
Carolin Krebber, Architektin
Klaus Reymann, Architekt
Prof. Amandus Samsoe Sattler, Architekt und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen,
Claudia Schmidt, Architektin
Jakoba Struck, MSc Architektur
Christoph Tölke, Restaurator, Vorstand Kunst und Krefeld, Vorstand HdWW